Die Spaghetti Bolognese Verschwörung

Ein Gastbeitrag meines alten Freundes Rainer E. Debel:

Ich muss es zugeben – ich bin ein Verschwörungstheoretiker. Aber einer der Recht hat und das auch beweisen kann. Im Gegensatz zu diesen angeblichen 9/11- oder Finanzmarktverschwörungen existiert nachweislich eine perfide Verschwörung, die ich nur als „Spaghetti Bolognese Connection“ bezeichnen kann. Was kann an Spaghetti schon so schlimmes sein, fragt man sich. Die Hersteller, die Konsumenten, die Umwelt – jeder mag doch Spaghetti und man liest nie ein schlechtes Wort darüber. Wo also ist das Problem? Ich muss vielleicht ein wenig ausholen…

Zum unausweichlichen Protokoll der obligatorischen Besuchsvorbereitungen von Familien mit Kindern gehört in das klärende Telefonat zwischen den beteiligten Müttern neben dem Abklären von Schlafplätzen und mitzubringenden Utensilien die Frage „Was essen eure Kleinen denn so“. In 99% der Fälle wird auch gleich hinterher geschoben „Mit Spaghetti Bolognese können wir doch nichts falsch machen, oder?“. Tatsächlich erfreuen sich die soßengetränkten Nudeln mit Fleischbrocken uneingeschränkter Beliebtheit über alle Generationen hinweg. Ein wesentlicher Grund, warum praktisch in allen Örtlichkeiten, in denen Kinder erwartet werden Spaghetti Bolognese auf der Speisekarte stehen. In nicht wenigen Fällen sogar als einziges Kindergericht. Sie sind also leicht herzustellen, praktisch überall verfügbar und treffen den Geschmack der Kundschaft – ein Teufelskreis für Eltern, die Wert auf saubere Kleidung legen. Denn üblicherweise endet – und hier kann man den Kindern nicht mal einen echten Vorwurf machen – jede Mahlzeit mit Spaghetti Bolognese in einem Disaster. Es fängt mit den Nudeln an. Werden sie nicht zerkleinert versuchen die lieben Kleinen sie als ganzes mit einem sirenenartigen Tonfall einzusaugen und verteilen damit großflächig die eigentlich zum Verzehr gedachte Soße auf Wangen und Kragen. Gerne auch auf die der Tischnachbarn. Werden die Nudeln löffelgerecht kupiert, fallen Sie natürlich mit einem satten Pflatsch beim Versuch der Zuführung in den Rachenraum in nicht zu vernachlässigender Anzahl und Größe zurück auf den Teller. Das Ergebnis ist somit das gleiche wie bei unzerteilten Nudeln, nur die Geräusche ändern sich. Auch aus einem anderen Grund ist die Entscheidung für oder gegen zerteilte Spaghetti eine rein akademische Angelegenheit (mit der die Eltern ebenso verzweifelt wie sinnlos versuchen Kontrolle in die längst aus derselben geratene Angelegenheit zu bringen), denn nach den ersten Schlürf- oder Platsch-Versuchen kommt ohnehin unweigerlich der Moment in dem der liebenswerte Sproß grinsend den Löffel zur Seite legen und die Masse in die Hand nehmen wird. Wegen des guten Geschmacks und der somit großen Motivation in kürzester Zeit die maximale Füllmenge zu erreichen wird gerne mit vollen Händen zugegriffen und gequetscht was geht. Was nicht geht (Achtung: Pflatsch!) wird bei der nächsten Iteration natürlich gerne wieder berücksichtigt. Je nach Alter des Kindes ist die Erfolgsquote besser oder schlechter. Eher jedoch letzteres, was natürlich für die Eltern die Frage aufwirft, ob das ewig so weiter gehen kann. Kann es natürlich nicht, denn bald treten zwei andere Kräfte in die Gleichung mit ein: Erstens wird der Soßenanteil durch die permanent auf die Nudeln wirkenden Flieh- und Druckkräfte so sehr verringert, dass der Geschmack nachlässt und nach Nachschub verlangt wird (quasi die einzige Verschnaufpause vor dem Finale, s. gleich) und zweitens lässt die Temperatur der Speise mit der Dauer nach. Das wiederum führt zu zunehmendem Desinteresse des Kindes, welches sich schließlich im Hinschieben des Tellers und einem vorwurfsvollen Blick oder tadelnden Wort sowie der Aufforderung, dass die geschätzten Erziehungsberechtigten den Rest dieser Mahlzeit bitteschön in Würde zu verspeisen haben äußert. Da vorher praktisch alle Vorräte auf die Kinderteller verteilt wurden, ist somit der Verzehr dieser Reste für die bespritzten Eltern oft die einzige Möglichkeit der drohenden Entkräftung entgegen zu wirken.

Warum also, fragt man sich, gibt es immer und überall wo Kinderaugen schelmisch blitzen Spaghetti Bolognese? Logisch ist das nicht zu erklären. Es muss sich um eine Verschwörung halten. Q.E.D.

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