Jul 03

Was ist das für eine seltsame Welt…

… in der es „erlaubt“ ist, dass Menschen auf Verdacht hin schlicht ermordet (Drohnenangriffe) oder jahrelang unter unmenschlichen Bedingungen ohne ordentlichen Prozess festgehalten werden (Guantanamo) und es gleichzeitig „verboten“ ist, offensichtlich vollkommen maßlose Praktiken von Geheimdiensten öffentlich zu machen (Edward Snowden).

Diejenigen die auf Befehl mit dem Joystick töten und nicht gegen unsinnige Befehle protestieren werden befördert, mit Orden dekoriert und reich entlohnt. Demjenigen, der das Unrecht anprangert werden alle Fallstricke in den Weg gelegt, die es nur gibt. Und alle Staaten spielen mit.

Nee – das verstehe ich nicht.

Jun 20

CSV-Daten in Excel und Word in eine Tabelle verwandeln

Immer wieder mal hat man es mit CSV (Comma Separated Values, also „durch ein Trennzeichen getrennten Werten“) zu tun. Zum Beispiel wenn man sich eine Liste herunterlädt.
Das sieht dann z. B. so aus:

Name, Vorname, Geburtstag
Potter, Harry, 01.04.1990
Granger, Hermione, 24.12.1990

Wenn man eine solche Liste in Word in eine Tabelle umwandeln möchte, gibt es den Befehl „Text in Tabelle umwandeln“, der sich ab Word 2010 leider nicht sehr intuitiv über den folgenden Klickweg finden lässt:

  1. Den CSV-Text markieren
  2. Registerkarte „Einfügen“ auswählen
  3. Den Pfeil unter dem Wort „Tabelle“ anklicken

=> Und „schon findet sich der gesuchte Menüpunkt

Excel (als „Tabellenkalkulation“) ist eigentlich recht geschickt im Umgang mit CSV-Daten. Immer wieder aber kommt es vor, dass Excel sie nicht sofort automatisch erkennt. Hier kann man über folgenden Klickweg zum Erfolg kommen:

  1. Den CSV-Text markieren
  2. Registerkarte „Daten“ auswählen
  3. Das Symbol „Text in Spalten“ anklicken

Warum beide Produkte aus dem gleichen Haus die gleiche Thematik so unterschiedlich behandeln, wird mir ein Rätsel bleiben.

Jun 06

Wenn Kinder ins Ohr flüstern

Mal wieder ein Gastbeitrag von Rainer E. Debel

Ein persönlich zugesprochenes Wort erfreut die meisten Menschen. Die höchste Form dieser Wertschätzung ist für viele ein geflüstertes Wort. Doch was den meisten Menschen wohlige Schauer freudiger Erregung über den Rücken laufen lässt, versetzt die meisten Eltern (sofern sie ihre Hörfähigkeit noch nicht eingebüßt haben, s. u.) in schiere Panik. Wenn Kindern ankündigen, dass sie einem etwas ins Ohr flüstern wollen, klingt das für Kinder- oder Ahnungslose zunächst einmal „süß“. Die Wahrheit sieht aber so aus:

  • Der Hauch des Todes – oder „Vorahnung ist die schlimmste Ahnung“: Bevor Kinder tatsächlich ihre Botschaft in Worte fassen, müssen sie sich erst einmal ein Herz fassen. Das kann dauern. Da sie während dieser Sammlungsphase (die natürlich direkt vor dem Ohr der Eltern stattfindet) aber immer noch lebende Wesen sind atmen sie. Zum einen atmen sie ein (dabei kommen teils längst vergessene Dinge aus dem elterlichen Ohr in den Mund der lieben Kleinen) und zum anderen atmen sie aus. Mangels anderer Möglichkeiten natürlich in den Gehörgang der vermeintlichen Botschaftsempfänger. Wer jemals ein leises Pieps in einem Tunnel abgesetzt und sich am sich stets verstärkenden Echo erfreut hat, kann vielleicht nachvollziehen was sich dort grauenvolles ereignet.
  • Trocken ist Silber – Spucken ist Gold Es heißt immer, dass Kinder (und übrigens auch alte Menschen) zu wenig trinken würden. Vielleicht stimmt das gar nicht (zumindest bei den Kindern). Vielleicht geht einfach nur zu viel Flüssigkeit beim Sprechen oder – noch genauer – beim Flüstern verloren. Dieser Eindruck mag sich einschleichen, wenn das Ohr nach einer Flüsterattacke trieft wie ein leckes Dach. Bewiesen ist es allerdings noch nicht. Man mag sich aber die dazu notwendigen Versuchsanordnungen gar nicht vorstellen.
  • Und nicht zuletzt: Kinder flüstern nicht: Das Konzept der für unbeteiligte Dritte unhörbaren Botschaft ist dem kindlichen Gemüt bis in ein überraschend hohes Alter fremd. Man kann dies auf noch nicht ausreichend ausgeprägte Empathiefähigkeit, noch nicht durchlittenen Physikunterricht oder mangelnde Lebenserfahrung zurückführen. Die Folge davon ist jedenfalls, dass am Ende einer geflüsterten Botschaft jeder im Raum diese klar und deutlich gehört haben wird außer dem vermeintlich intendierten Empfänger, der von der schieren Lautstärke und den damit verbundenen Schmerzen zu sehr davon abgehalten wurde, die Nachricht als solche wahrzunehmen. Nur Anfänger würden jedoch auf die Frage „Hast du mich verstanden“ mit „Nein“ antworten, denn was dies zur Folge hätte, kann man sich am ehesten als eine Endlosschleife elterlichen Leidens vorstellen.

Wenn also das nächste Mal ein Kind etwas ins Ohr flüstern will, dann ist Vorsicht geboten. Wohl dem, der über Ohropax verfügt oder frühzeitig den Spruch als Familienmotto etablieren konnte „Wer flüstert lügt!“

Jun 02

Wahlfreiheit und Wahrheit (kostenlose Nachhilfe für die FDP)

Fast hätte ich beim Autofahren einen Unfall gebaut, als ich im Radio unseren Bundesgesundheitsminister auf dem Ärztetag darüber reden hörte, dass er eine Bürgerversicherung ablehne und stattdessen die aktuelle „Wahlfreiheit“ der Versicherten beibehalten möchte. Hallo? 70 Millionen Menschen in Deutschland sind Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung. Davon sind die meisten sogenannte „Pflichtversicherte“ und nur ein relativ geringer Anteil zählt zu den „freiwillig gesetzlich krankenversicherten“. Es gibt einige gute Gründe, sich nicht privat krankenzuversichern. Unter anderem

  • wenn man eine große Familie hat (weil die Familienangehörigen im Gegensatz zur gesetzlichen Krankenversicherung nicht mitversichert sind)
  • wenn man chronisch krank ist, bevor man sich um eine private Krankenversicherung bewirbt (weil sich diese das dann mit einem hohen Risikoaufschlag bezahlen lässt oder schlicht ablehnt)
  • wenn unklar ist, ob das eigene Einkommen dauerhaft über der Versicherungspflichtgrenze liegen wird (weil der Beitrag gleich bleibt, auch wenn man arbeitslos wird oder kein eigenes Einkommen mehr hat)

Insgesamt bleibt aber klar festzustellen, dass die Zweiteilung in eine private und eine gesetzliche Krankenversicherung die soziale Ungleichheit in Deutschland massiv befördert. Ausgerechnet denjenigen, die gesund und begütert sind wird mehr Leistung für weniger Geld angeboten, denn die private Krankenversicherung ist (zumindest wenn man früh einsteigt) wesentlich günstiger als die gesetzliche Krankenversicherung, wenn man die Versicherungspflichtgrenze überschritten hat (und vorher muss man sich ja gesetzlich versichern). Das heißt, wer

  • chronisch krank ist (oder auch nur ein erhöhtes Risiko dafür hat)
  • normal oder wenig verdient (was nicht selten eine Folge von Krankheit oder sozialer Herkunft ist)

darf sich überhaupt nicht privat krankenversichern. Für diese Personen – und deren Unterstützung wäre eigentlich Aufgabe der Politik – wäre die Einführung einer Bürgerversicherung auf jeden Fall ein Gewinn, weil sich die besser und (unverschämt) gut verdienenden gemessen an ihren finanziellen Möglichkeiten beteiligen würden und die Schlechterstellung der gesetzlich versicherten aufgehoben würde. Verlierer einer Bürgerversicherung wären neben den „Besserverdienenden“ natürlich auch die privaten Krankenversicherungen, die sich nicht mehr die Rosinen der Versicherten herauspicken könnten, sondern mit den gleichen Risiken leben müssten wie es die vielgescholtenen gesetzlichen Krankenversicherungen schon lange tun.

Wenn Daniel Bahr also von „Wahlfreiheit“ spricht, dann kann er trotz hübsch gelb-blauer Webseiten eigentlich nur seine eigene bzw. die der klischeehaften FDP-Klientel meinen.

Schade, dass auch die anderen Parteien dieses Thema nicht ernsthaft zur Diskussion stellen.

Mai 03

Sergej Lukianenko: Wächter des Morgen

Der fünfte Band der „Wächter“-Reihe setzt auf Bewährtes. Die Figuren sind weitgehend bekannt, doch das Universum wird um einen weiteren Aspekt erweitert. Plötzlich gibt es Propheten und den „Tiger“ – ein aus dem Zwielicht erscheinendes Geschöpf, das über unüberwindbare Kräfte verfügt.

Wer dachte, dass ohne den sympathischen Vampir Sauschkin die Geschichten rund um die Tag- und Nachtwache endgültig zu Ende erzählt wären, der irrt sich. Dass Lukianenke dem alten Tausendsassa die Ideen ausgehen kann ohnehin niemand ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Zu viel Freude macht ihm offensichtlich die Lust am Fabulieren und Erfinden. Es wird aber auch zunehmend deutlicher, dass durch die bisher getroffenen Aussagen zur Funktionsweise seiner Fantasiewelt weitere bahnbrechende Neuerungen und Erweiterungen immer einen ganzen Rattenschwanz an Erklärungen nach sich ziehen. Das wirkt manchmal etwas dröge, wird dem geneigten Leser aber wohl aufgrund der (weitgehenden) Stimmigkeit des Gesamtkonstrukts eher zupass kommen.

Bei „Wächter des Morgen“ lernen wir neue Figuren kennen, treffen die alte Bekannte Arina wieder und erfahren Neues über das Zwielicht. Wie gewohnt wird auch viel über das Leben, die Liebe und die Gesellschaft philosophiert. Unter anderem lesen wir über das Verhältnis der „Anderen“ zu den etablierten Religionen. Der Glaube an höhere Mächte wird von diesen nicht grundsätzlich abgelehnt, sondern es ist „Privatsache“ jedes einzelnen. Das Umgehen mit der in Lukianenkos Universum praktizierten Magie ist ohnehin ein sehr technischer Vorgang und auch die Überzeugungen haben nur teilweise Auswirkungen darauf, ob jemand ein „Lichter“ oder „Dunkler“ ist. Lukianenko macht diese Zugehörigkeit eher am Grad des vorhandenen Egoismus fest, liefert mit dem Chef der Nachtwache aber auch ein wunderbares Beispiel für einen Egomanen als „hohem Lichten“. Interessant zu lesen und eine nette Abwechslung zum Standard-Fantasy-Genre bei dem klassischer Glaube entweder keinen Platz hat oder nur in Form von durchtriebendem Klerus mittelalterlicher Prägung auftaucht. Spannend auch, wenn man Lukianenko in gewisser Weise als Spiegel der russischen Gesellschaft betrachtet, die ja unter kommunistischer Herrschaft streng atheistisch war und auch in dieser Hinsicht seit dem Fall der Sowjetunion einiges nachgeholt hat.

„Wächter des Morgen“ gibt es als Taschenbuch, Kindle-Ausgabe
oder Hörbuch.

Apr 24

Moviekritik zu „In Time – Deine Zeit läuft ab“

Es gibt Filme die leben von den Schauspielern, es gibt Filme die leben von den Spezialeffekten und es gibt Filme, es gibt Filme die von einer guten Dramaturgie leben und es gibt Filme, die ihre Daseinsberechtigung aus einer guten Filmidee ziehen – auch wenn das Drehbuch dieser dann nicht immer gerecht wird. Um so eine gute Idee (und leider auch um ein eher mangelhaftes Script) geht es in „In Time“, einem erfreulich wenig actionlastigen Science Fiction Film mit der Grundannahme, dass alle Menschen genetisch so verändert sind, dass sie nur bis zum Alter von 25 Jahren altern. Glücklicherweise kann man sein Leben danach (unter Beibehaltung aller physischen Merkmale) beliebig verlängern, wenn … ja wenn man „Zeit“ hat. Lebenszeit eben. Und das ist die neue und einzige Währung in diesem Film (neben Ohrringen, aber das ist eine andere Geschichte). Jeder Mensch hat eine grün leuchtende animierte Digitaluhr im rechten Arm, die für jedermann sichtbar die aktuell noch verfügbare Lebenszeit anzeigt. Durch direkten Kontakt oder seltsame Metallspeicher kann Lebenszeit ausgetauscht werden. Jede Busfahrt und jeder Gegenstand kostet entsprechend Lebenszeit – und die Preise steigen gerne mal an.

Insgesamt also sowohl ein Gleichnis für den Kapitalismus, als auch eine philosophische Betrachtung über den Umgang mit unserem Leben. Denn – ganz ehrlich – läuft es nicht bereits jetzt an vielen Stellen darauf hinaus, dass man z. B. seine Aufmerksamkeit und Lebenszeit an seinen Arbeitgeber verkauft um für das im Gegenzug erhaltene Geld dann Dinge zu kaufen? Nicht immer wird es uns im Leben so bewusst, wie im Film wo für eine Busfahrt eben mal „2 Stunden“ Lebenszeit fällig werden. Als Freiberufler kennt man es aber schon, dass man sich z. B. eine Jacke dann wird leisten können, wenn man noch X Stunden an einem (im besten Fall spannenden, im schlechtesten Fall nervigen) Kundenprojekt gearbeitet hat, weil man seinen „Stundenlohn“ kennt.

Und wer viele Dinge kaufen will, muss entweder besonders viel Zeit investieren oder besonders unangenehme Dinge tun. (Na ja, manchmal auch nur nicht nach den Regeln spielen und sich nicht erwischen lassen, wie der aktuelle Fall Höneß zeigt). Und ja, es gibt auch in „In Time“ unterschiedliche Klassen. Diese werden in verschiedenen Zeitzonen (vom Nobelviertel bis zur Fabrikarbeitersiedlung. Und die Übergänge dazwischen gehen richtig an die Lebenszeit. Hier wiederum habe ich mich sehr an unsere gar nicht so eine Welt und die „Festung Europa“ erinnert gefühlt. Gar kein so schönes Gefühl, wenn einem diese Ungerechtigkeit so vor Augen gemalt wird.

Andrew Niccol ist mit „In Time“ eine inhaltlich beeindruckende Studie zum Thema Kapitalismus gelungen. Weniger überzeugend sind die schauspielerischen Leistungen von Justin Timberlake und Amanda Seyfried, was aber nicht weiter überraschen dürfte. Manche Ungereimtheiten in der Story (z. B. die Frage welchen großen Sinn es macht, sich Lebenszeit von einer Bank leihen zu können oder warum es keine Sicherung bei der Übertragung von Zeit gibt) muss man einfach übersehen. Insgesamt jedenfalls ein sehr sehenswerter Film, der zum Nachdenken anregt.

Apr 21

Easy Majordomo – ein benutzerfreundliches Webinterface für das Ein- und Austragen in Majordomo-Listen

Majordomo ist eines der Urgesteine, was die Automatisierung von Mailinglisten angeht. Klar gibt es heute viel Konkurrenz (z. B. Mailman) mit mehr Features und besseren Interfaces. Aber manchmal trifft man eben doch noch auf Mailman. Und selbiger auf Benutzer, die mit der Idee eine E-Mail an eine Maschine zu verschicken, damit diese ihren Befehl verarbeitet nicht immer ganz klar kommen.

Um dieses Dilemma aufzulösen, habe ich ein kleines Skript geschrieben das ein Mini-Web-Interface erstellt und die An- und Abmeldung an Majordomo-Listen so etwas einfacher für den Benutzer gestaltet. Es besteht aus drei Dateien:

  1. config_majordomo: Hier gibt man die Daten einer oder mehrerer Majordomo-Listen an.
  2. fomular.php: Das ist das eigentliche Webinterface. Es greift auf die Datei config_majordomo zu. Das Layout der Datei kann beliebig gestaltet werden.
  3. class_security.php: Eine sehr alte Standardklasse, die hier für einige einfache Basis-Checks verwendet wird.

Viel Erfolg damit – Es gibt keinerlei rechtliche Beschränkungen was die Nutzung, Veränderung oder Weiterverbreitung des Skriptes angeht, das ich hiermit zum Download anbiete: easy_majordomo. Es gibt aber auch keine Garantie für die Funktionsfähigkeit und keinerlei Haftung für eventuell entstehende Schäden.

Es war nur ein kleiner Hack ohne großen Anspruch.. Vielleicht spart es ja trotzdem irgend jemandem da draußen ein paar Stunden Arbeit.

Apr 18

Das Gegenteil von Glück

In der SZ gab es ein recht interessantes Interview mit dem Leiter der Grant-Studie – einer Studie zur Erforschung der Frage „Was machen glückliche Menschen anders als andere?„. Dazu wird seit 1967 (!) das Leben einer bestimmten Gruppe von Personen wissenschaftlich untersucht. Sehr bemerkenswert fand ich folgendes Zitat:

Das richtige Maß ist wesentlich. Wären wir Tiere, würden wir nur der Lust folgen. Sind wir aber nicht. Glückseligkeit bedeutet, die sofortige Befriedigung zu vermeiden. Sie führt zu Abhängigkeit und Exzess – dem genauen Gegenteil von Glück.

Nach meinem Empfinden sehr viel Wahrheit in wenigen Sätzen.

Apr 08

Moviekritik zu ¨Side Effects- Tödliche Nebenwirkungen¨

Zu Beginn des Filmes weiß man noch nicht so recht, welches Genre einen erwartet. Es könnte sich um einen Thriller, ein Gerichtsdrama, scripted Reality, einen Horrorfilm, ein Familiendrama oder Science Fiction handeln. Ohne zuviel verraten zu wollen: irgendwie bedient dieser spannende und wendungsreiche Film bis zu einem gewissen Grad alle angesprochenen Schubladen.
Trotz hochkarätiger Besetzung wird ¨Side Effects¨ aller Wahrscheinlichkeit nach kein großes Publikum erreichen. Wer sich aber auf diese sicher nicht leicht zu verdauende (Tor)tour einlässt, setzt sich einem Wechselbad der Empfindungen aus. Eine Erfahrung, die länger haften bleibt, als so mancher weichgespülte Unterhaltungsfilm. Allzu zart besaitet sollte man allerdings nicht ins Kino gehen. Blut gibt es zwar nicht viel zu sehen, aber im Kopf richten Plot und die Grundstimmung des Filmes eine ganze Menge beim Zuschauer an.
Thumbs up für diese interessante Bereicherung der cineastischen Landschaft.

Feb 26

Moviekritik zu „Lincoln“

Während „Django Unchained“ die emotionale Seite des Themas „Abschaffung der Sklaverei in den USA“ abdeckt, ist „Lincoln“ eher für den Kopf gedacht. Leider kommt der Film unter der Regie von Steven Spielberg so dröge daher wie eine Geschichtsstunde: Abraham Lincoln bewegt sein Gesicht in den ersten 110 (von 137) Minuten des Filmes praktisch überhaupt nicht und spricht entweder in gestelzter Sprache mit großem Pathos oder so gewollt lässig mit vermeintlich „kleinen Lichtern“, dass es dem Kinobesucher die Tränen in die Augen treibt. Und wenn er zum wiederholten Mal sinnloserweise zu einer (nur bedingt zur Situation passenden) Anekdote ansetzt, möchte man durchaus auch mal die Vorspultaste am Kinositz finden. Mehr als der namensgebende Protagonist überzeugt Tommy Lee Jones mit einer süffisant bärbeißigen Performance. Dramaturgisch ist kaum etwas geboten. Das „politische Genie“ Lincolns (auf einem gleichnamigen Buch basiert der Film) wird zwar teilweise deutlich, kann aber nicht recht überzeugen.

Inhaltlich interessant fand ich, dass meist über „die Neger“ geredet und entschieden wird. Mit den Schwarzen redet jedoch kaum jemand und diese erscheinen bis auf eine einzige Ausnahme auch in Washington immer nur als Dienstboten. Auch Lincoln redet mit der Zofe seiner Frau „von ihrem Volk“, das er nicht kennt und das ihm eigentlich herzlich egal ist. Auf der Basis wird kaum deutlich was die wahren Beweggründe für seinen Kampf für die Abschaffung der Sklaverei sind. Deutlicher – ohne zu viel verraten zu wollen – wird das beim Abgeordneten Stevens (Tommy Lee Jones) am Ende des Films. Eine echte Auseinandersetzung mit den Gründen für und gegen die Sklaverei findet hier also nicht recht statt.

Für 12 Oscars nominiert, nur zwei bekommen – „Lincoln“ sieht nach dem großen „Verlierer“ der diesjährigen Oscar-Verleihung aus, weil Erwartungen und Ergebnis so weit auseinander liegen. Nach meinem gestrigen Filmbesuch würde ich sagen: zu Recht. Hier wurde mit sehr viel Geld aus einem großen Thema ein teurer Film ohne echte Seele produziert. Es wäre einfach noch mehr drin (und auch angebracht) gewesen.