Mikael Niemi: Populärmusik aus Vittula

Das schwedische Teenager-wird-Erwachsen-Buch von Mikael Niemi brach in Schweden sämtliche Rekorde. Nachdem eine Kinovorschau der Verfilmung mein Interesse geweckt hatte, habe ich einige Jahre später zugegriffen.

Worum geht es?
Das Leben an der Grenze zwischen Schweden und Finnland ist gewöhnungsbedürftig in den 60er Jahren. Die Leute sind schrullig, das Sprachwirrwarr perfekt, die Winter lang und hart, der Alkohol teuer und eine von amerikanischen Cousins eingeschmuggelte Beatles-Platte ein echter Lichtblick. Genau hier durchlebt der Titelheld seine Jugendjahre und lässt den Leser sehr plastisch teilhaben. Aus der Rückschau erzählt und mit einigem Hintergrundwissen über das, was die Welt in dieser Ecke des Globus zusammenhält wird hier eine fremde Kultur und ein Stück europäische Zeitgeschichte vermittelt.
Erzählt werden dabei hauptsächlich nach Kapiteln geordnete Episoden, die nicht unbedingt immer einen direkten Zusammenhang zum vorherigen Kapitel haben, was aber nicht weiter stört. Der rote Faden, auf den nach diversen Exkursen immer wieder zurückgekommen wird, ist die Band, die sich im Laufe des Romans langsam bildet und schließlich auch zusammen auftritt. Solche Episoden sind beispielsweise ein Sommerjob als Rattenjäger, eine Hochzeit verfeindeter Clans, ein Aufklärungsgespräch in der Saune (bei dem es um alles geht, was ein junger Mann wissen muss, aber überhaupt nicht um Sex), einen selbstorganisierten Kinderausflug fast bis nach China und noch einiges mehr, was hier nicht verraten werden soll.

Was macht dieses Buch besonders?
Die sprachliche Ausdrucksfähigkeit, die Vielzahl gut gewählter Metaphern, die Mischung aus brüllend-komisch und ernsthaft-deprimierend, die ausführlichen Beschreibungen von Gefühlslagen, die genaue aber nie langweilige Beobachtung von Situationen – all das macht dieses Buch sehr lesenswert.

Ein unfairer Vergleich
Dieses Buch hatte ich gleichzeitig mit „Fleisch ist mein Gemüse“ gekauft, da es den Anschein hatte, es handele sich um ein ähnliches Thema und man könnte beide Bücher spasseshalber vergleichen. Kann man natürlich nicht, aber ich mach’s trotzdem:
– In beiden Büchern geht es um das Aufwachsen auf dem Land unter dem besonderen Einfluß der Musik
– Während Heinz Strunk die Musik letztendlich hasst, aber fast keinen anderen Lebensinhalt hat, lieben die Schweden die Musik, beschäftigen sich aber hauptsächlich mit anderen Dingen. Dafür ist Strunk ein Virtuose und die Vittula-Jungs beherrschen ihre Instrumente definitiv nicht
– Nach FimG fühlt man sich deprimiert, in Vittula hat man das Gefühl, dass es einige Probleme gibt, man dort aber insgesamt trotzdem ganz gut leben kann

Populärmusik aus Vittula gibt es als Taschenbuch und als Hörbuch. Außerdem wurde es verfilmt und ist daher auf DVD erhältlich. Interessanterweise gibt es keinen Soundtrack.

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